Rock im Wald, 29. - 30.07.2022, Neuensee in Oberfranken

Worin besteht der Unterschied zwischen "normalen" Festivals und "Rock im Wald"? Bei normalen Festivals kennen die Zuschauer die Bands, beim "Rock im Wald" kennen die Bands die Zuschauer. Und die Zuschauer kennen sich untereinander. Diese einmalige Atmosphäre haben wir in 40 Jahren Festival-Besuchen bisher nirgends angetroffen.

Wir besuchen seit 2011 das Hellfest und kehren restlos begeistert zurück. Das, was wir am Hellfest schätzen, nämlich perfekter Sound und perfektes Licht, saubere Toiletten und Duschen, ein sauberes Festival- und Campinggelände, gutes Essen, gutes Bier, freundliches Personal und gute Arbeitsbedingungen, trafen wir am "Rock im Wald" ebenfalls an. Zusammen mit der Exklusivität von nur rund 2000 Zuschauern wurde dieses Festival ein unvergessenes Erlebnis. 

Die professionelle Organisation und Durchführung, mit viel Liebe zum Detail, gepaart mit dieser einzigartigen familiären Atmosphäre und dem Line-up, war wohl auch Motivation für die Bands, durchwegs erstklassige Konzerte abzuliefern.


Festivalgelände


1. Tag, 29.07.2022

Mount Gammaray Burns

Wir erlebten die Band am "Stoned from the Underground" im Jahre 2019 schon als Opener. Und das funktionierte auch hier hervorragend mit fetten Riffs, ohne lange Umwege auf die 12 kommen und dabei lässig den Arm aus ´nem 74er Dodge Challenger raushängen lassen. 


Kolossus Däächt

Nach dem Abrissbirnenstart durch Mount Gammaray Burns starteten wir mit der Regensburger Band Kolossus Däächt auf eine Zeitreise nach 1978/79 nach Großbritannien, wo damals zahlreiche Bands die rohe Energie des Punks als Basis für ihre Musik übernahmen, gleichzeitig auch weniger aggressive Texte und mehr Melodien in ihre Kompositionen einfließen ließen. Das gelang dieser Band ebenfalls und das Konzert war ein frühes Highlight am frühen Nachmittag.


Daily Thompson

Eigentlich ist es eine Punkband. Von der Einstellung. Zu hören bekamen wir fetten Stoner, song-fokussierten Krach, ein bisschen 80er/90er-Gitarrengeschrubbel und groovende Rhythmen als Übergang zu den tieferen Frequenzen serviert, was vom Publikum komplett abgefeiert wurde.


Odd Couple

Jo, so ols Ostfriesn, jo, do mochd mon schon ne büschn annere Mucke als sonst wo, nö? Ond wenn mon donn en Bärliin lebt, nö?, da kommd schon wos an onneren Stilen zusammen, nö? Also ich sach ja nua, abba so jenau wees ich och nich, wos es woar, irjentwih son büschen TRIO, Krautrock, un büschen psischedelisch und so Garaschenrock und so, nö?, aba cool waas, son büschen aus unser ollen Bladdnsammlung der letzten fuffzisch Johre. Und weeste was? Die ham da auch deutsch un englich jesungen. Echt staak Digga. Jo und donoch mussden di früa aufhören, weng Rengn und so, abba wia ols Ostfriesn häddn da schon jeschbüld, wia ham da immä son Wedda.


Wo Fat

Die texanische Band Wo Fat steht für ein auf 15/10 aufgedrehtes Fuzz-Pedal, keiner Abgrenzung zwischen Bass und Gitarre, groovenden,  treibenden Beat und tiefergestimmte Gitarren, um damit mit einem ebenso tiefer gelegten 40-Tonner Mac-Truck mit 80mph alles niederzuwalzen, was einem so auf den amerikanischen Highways vor den Kühler läuft. Die Musik passt besser in eine offene Landschaft als in eine kleine Halle, wo wir die Band 2016 zum ersten Mal sahen. Nach der Regenpause war das ein perfekter Re-Start für das Festival und wenn ich nicht getäuscht habe, umgaben während ihres Sets Euphorbien an Stellen von Koniferen das Festivalgelände.


1000Mods

Dank der stabilen Bühnenkonstruktion blieb die Bühne bedeckt, obwohl 1000Mods sehr nahe am viel zitierten Dach abreisen und Abissbirne rausholen waren. Diese Band schafft es mit einer Leichtigkeit, Stile wie Grunge, Doom, Stoner, Punk und Rock zu einer partytauglichen Mischung zu verschmelzen und die Zuschauer mit ihrer Bühnenshow und Bühnenpräsenz mitzureisen. Mir persönlich fehlten einige meiner Lieblingssongs wie "The Son" oder "Low" und fand die Setlist recht Doom-lastig, was aber der Stimmung unter den zahlreichen mitbangenden Zuschauern keinen Abruch tat. 


Mars Red Sky

Bunt, laut, dröhnend, schwebend, verträumt, lärmig, trippig, heavy, bluesig, und das in jedem Song, Soundgemälde aus Pedalboards, groß wie ein Raumschiff. Spätestens bei Mars Red Sky war jede vorangegangene Droge überflüssig. Im wahrsten Sinne des Wortes.


Witchcraft

Witchcraft ist die berühmte Pralinenschachtel, bei der man laut Forrest Gump nicht weiß, was man bekommt. Wir wussten seit dem Hellfest 2022, was uns erwarten wird: Magnus Palender kann leider nicht alles selber machen und hat deswegen eine kleine Band gegründet. Mit der zelebriert er seine ganze Bandbreite an Gefühlen, Stimmungen und Stilrichtungen. Das klappte recht gut, weil man Traurigkeit auch in flotteren Songs wie "No Angel, no Demon" oder "Witchcraft, Take one" vermitteln. Ob es jemals wieder eine Rückkehr zur "Legend"-Besetzung kommt, weiß wohl nur Palender.


2. Tag, 30.07.2022

Mandrax Queen

Stellt euch ein typischen "Rock im Park"- oder "Nova Rock"-Line-up vor. Von Metal, über Crossover, dann kommt da noch ein bisschen Alternative à la The War on Drugs dazu, gehüpft und gebangt wird zu Nu Metal und gerockt zu Stadionriffs à la Muse und irgendwo, in einem völlig verrauchtem Zelt, spielt John Garcia ein Geheimkonzert mit seinen alten Kumpels von Kyuss. Und das Ganze passiert in den Songs von Mandrax Queen, manchmal in einem, zumindest über das komplette Konzert verteilt. Diesen Mix rundet dann noch eine fette Stimme ab und dann ist auch schon nach gefühlten drei Minuten das Konzert vorbei. 


Carson

Carson überzeugten mit jedem Song im Verlauf des Konzerts mehr und mehr. Nach einem holprigen Einstieg wurden die Songs insgesamt straffer und heavier, ohne an Groove zu verlieren. Irgendwann hat das dann auch das Publikum mitbekommen, dass da eine Band auf der Bühne steht, die nicht umsonst das Aushängeschild der Schweizer Stonerszene ist. 


Dirty Fences

Hey, we´re the Dirty Fences from New York City and the next is called..

Wan, to, tri, fo! 2:30 Min.

Wan, to, tri, fo! 2:47 Min.

Wan, to, tri, fo! 2:52 Min.

We are the Dirty Fences from New York City!!

Wan, to, tri, fo! 2:12 Min.

Wan, to, tri, fo! 2:23 Min.

Wan, to, tri, fo! 2:36 Min.

This next song is about this and that!

Wan, to, tri, fo! 2:17 Min. 

Wan, to, tri, fo! 2:42 Min. 

Wan, to, tri, fo! 2:14 Min.

We are the Dirty Fences from New York City! Thank you for coming. This next song is about that and this!

Wan, to, tri, fo! 2:38 Min. 

Wan, to, tri, fo! 2:57 Min. 

Wan, to, tri, fo! 2:53 Min.

Undsoweiter, bis dann die 40 Minuten mit Ramones-Attitüde und Ramones-Rock´n Roll dann auch recht schnell um waren.

 



Wucan

Eigentlich waren Smoke Blow einer der Gründe, dass wir uns Karten für das "Rock im Wald" kauften. Im Juni stand dann das Programm für das "Free and Easy"-Festival im Backstage fest und da spielten am 29.07. eben Wucan, die wir unbedingt sehen wollten. So bescherte uns die krankheitsbedingte Absage von Smoke Blow dieses unglaublich intensive, energiegeladene und musikalisch interessante Konzert von Wucan. Die Multiinstrumentalistin und Sängerin Francis ist klar der Mittelpunkt der Show und der Band. Auch dank der Band, da die Rhythmsektion mit Alex am Bass und Philip am Schlagzeug ein solides, perfekt getimtes Team bildet und Tim an Gitarre und Keyboards ein kongenialer Partner ist. Musikalisch vereinigte die Band 70er Prog-, Folk- und Krautrock mit einer Portion Metal, was zusammen mit dem Auftritt zu einem vollen Merch-Stand und zu einem Kompliment von Ryan Ferrier, dem Sänger von Valley of the Sun, führte. 


Valley of the Sun

Am 25.07. spielten Valley of the Sun bereits mit King Buffalo beim "Free and Easy"-Festival und ließen die altehrwürdigen Backstage-Container erschüttern. Doch was diese Band hier auf der Bühne ablieferte, entzog sich jeglicher Vorstellungskraft, dass die gleiche Band eine noch bessere Performance auf die Bühne zauberte. Vier Freunde auf und neben der Bühne fahren von Cincinnati/Ohio quer durch Europa und legen mit ihrem Mix aus Punk, Stoner und Folk alle Bühnen in Schutt und Asche. Höhepunkt: "Riding the Dunes" und ein Meer an bangenden Köpfen. 


Witch

Die alten Hasen von Witch ließen sich nicht nach Valley of the Sun nicht lumpen und verwandelten den Sportplatz und den umgebenden Wald in eine vor Staub ächzende Wüste, wodurch sich ein Big-Block-Pick-up pflügte, dessen röhrender V8 Sound von der messerscharfen, stählernen Stimme von Kyle Thomas gekrönt wurde. Es war nicht nur Boogie, nicht nur Blues, nicht nur Doom, es waren Witch, die als Wand von Band der brennenden Wüste von Neuensee trotzte. 


Spidergawd

"Spidergawd? Die mit dem Saxofon-Spieler, die wir 2015 in Winterthur sahen?" "Der ist nach Neuseeland ausgewandert". "Mit den zwei Typen aus Motorpsycho?" "Schon, aber Spidergawd ist eine eigene Band." "Aus Norwegen?" "Ja, du weißt doch Liebling, da kommen nur tolle Bands her, wie Turbonegro, Kvelertak, Kaizer´s Orchestra und so." "Was spielen die?" "Tolle Musik." "Ja was denn?" "Kann man bei Norwegern nie so richtig sagen, weil die alle möglichen Einflüsse einfließen lassen." (5 Minuten später) "Die sind ja richtig toll, irgendwie Rock´n Roll mit ´nem fetten Stoner-Sound, nicht so lahm wie sonst so die Stoner." "Ja Liebling, wegen denen sind wir unter anderem auch hier." (60 Minuten später) "Schade, dass es schon vorbei ist, menno" "Ja Liebling".


King Buffalo

Dieses Konzert war eine akustische Reise in einem US-Muscle-Car mit 55mph, glatt, leise, ein bisschen trippig und entspannt. Jeder Song behielt seinen hypnotischen und groovigen Rhythmus und beschleunigte zwischendrin in puncto Dynamik und Lautstärke.  Ihre Jams mit einer meist klaren Gitarre flossen in ein harsches Powerchord-Riffin, das wieder zu dem ruhigen und entspannten Sound davor führt. Das Konzert war ein einziger Song, der einem nach Verklingen des letzten Tones in diesen faszinierenden Klanglandschaften von King Buffalo verharren ließ.